Lippeverband macht Kläranlagen in Marl fit für die Zukunft

Umfangreiche Investitionsarbeiten in den nächsten Jahren

Marl. Von der Toilettenspülung bis zum Straßengully – die drei Kläranlagen in Marl reinigen zusammen mehr als 7,6 Mio. Kubikmeter Abwasser jährlich. Damit dieses Wasser wieder Bächen und Flüssen zufließen kann, ist eine mehrstufige, intensive Reinigung notwendig. Auf allen drei Standorten bringt der Lippeverband aktuell Technik auf den neuesten Stand. Das Besondere: Die Anlagen denken zukünftig mit – die Prozessleittechnik zur Steuerung der Kläranlagen wird auf ein virtuelles System umgestellt.

Dabei bleibt die Abwasserreinigung selbstredend analog. Die Steuerung der Anlagenprozesse können die Fachleute aber über mobile Tablets standortunabhängig überwachen und bedienen. So lassen sich zum Beispiel Messwerte ortsunabhängig in Echtzeit prüfen und daraufhin Anpassungen vornehmen. Dank dieser modernen Systeme wird die Arbeit schneller, einfacher und die Betriebs- und Cybersicherheit erhöhen sich. Auch wirtschaftlich ergibt die Umstellung Sinn: Durch standardisierte Technik, die bei Emschergenossenschaft und Lippeverband als dem größten Wasserwirtschaftsunternehmen Deutschlands zum Einsatz kommt, reduzieren sich die Kosten.

Anlagenerneuerung ist Daueraufgabe
Sanierungsarbeiten auf Kläranlagen müssen im laufenden Betrieb stattfinden, denn die Anlagen sind unverzichtbar und der Reinigungsprozess kann nicht angehalten werden – Abwasser entsteht eben rund um die Uhr. Das bedeutet umfangreiche Vorarbeiten, da extra errichtete Ersatzanlagen die Arbeit für die Zeit übernehmen müssen.

„Zur Sicherstellung unseres Anlagenbetriebes investieren wir in Marl innerhalb von sieben Jahren rund 33 Mio. Euro in die nachhaltige Erneuerung unserer Kläranlagen. Als öffentlich-rechtliches Unternehmen ist es unsere Pflicht, mit Augenmaß zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt eine Investition sinnvoll ist“, sagt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand des Lippeverbandes. Als sondergesetzlicher Wasserwirtschaftsverband organisiert, tragen alle Mitglieder die Reinvestitionen gemeinsam über die Verbandsumlage aller Mitgliedskommunen und angeschlossener Unternehmen.

Marl-West
Auf der Kläranlage Marl-West, der größten Kläranlage in Marl, 1964 gebaut und 1993 umfangreich instandgesetzt, saniert der Lippeverband aktuell die Nachklärbecken. Als letztes technisches Element im Reinigungsprozess wird hier das klare Wasser vom Klärschlamm getrennt. Bereits 2018 wurden das Blockheizkraftwerk sowie die maschinelle Schlammentwässerung erneuert. Letztere dient der Feuchtigkeitsreduzierung des Klärschlamms, um ihn anschließend besser weiterverarbeiten zu können. In 2019 und 2020 hat der Wasserwirtschaftsverband außerdem das Zulaufpumpwerk und die Rechenanlage erneuert.

Doch auch in den kommenden Jahren wird die Kläranlage Marl-West weiter umfangreich saniert. Es steht unter anderem der Neubau eines Vorklärbeckens an. Das alte Vorklärbecken wird durch ein effizienteres Becken ersetzt, das die Reinigungsleistung der Kläranlage erhöht. Aufgrund der guten Bausubstanz des alten Beckens kann es ohne größeren technischen Umbau in die Schlammbehandlung integriert werden. Die Kosten belaufen sich auf rund 19 Mio. Euro. Die Maßnahmen werden voraussichtlich in 2024 abgeschlossen.

Marl-Ost
Bezogen auf die Ausbaugröße ist die Kläranlage Marl-Ost die mittlere der drei Marler Anlagen. Seit 1959 reinigt sie verlässlich das Abwasser. Im Jahr 1990 erfolgte der Ausbau der mechanischen und 1992 der Ausbau der biologischen Reinigungsstufe. 2018 wurden bereits das Blockheizkraftwerk und die maschinelle Schlammentwässerung erneuert. Im vergangenen Jahr hat der Lippeverband auf der Anlage eine Betriebswasseranlage zur Nutzung von gereinigtem Abwasser aus dem Ablaufbereich errichtet und einen Nachklärbeckenräumer erneuert.

Aktuell saniert der Wasserwirtschaftsverband den Bereich der Abwasserbehandlung. Dazu hat man im vergangenen Jahr mit der Errichtung eines Provisoriums begonnen, das als temporärer Ersatz für das Zulaufschneckenpumpwerk und das Rechenhaus dient. Während im Zulaufbereich sich drehende Metallschnecken das Abwasser in die Kläranlage befördern, entfernen mechanische Harken im Rechenhaus Grobstoffe wie Hygieneartikel oder Laub aus dem Abwasser. Diese Bereiche bilden das „Eingangstor“ der Abwasserreinigung. Doch auch der weitere Reinigungsprozess wird optimiert: 2021 tauscht der Lippeverband einen weiteren Räumer aus und baut eine neue Fällmitteldosieranlage. Sie hilft dabei, durch Zugabe bestimmter Stoffe wie Eisensalze, Phosphate aus dem Abwasser noch besser zu entfernen. Bis 2024 finden die Arbeiten auf der Kläranlage voraussichtlich statt. Insgesamt werden im Bereich der Abwasserbehandlung rund 11,5 Mio. Euro investiert.

Marl-Lenkerbeck
Die Lippeverbands-Anlage Marl-Lenkerbeck ist im Vergleich die kleinste Anlage in Marl. Errichtet wurde sie 1980. Nach regelmäßigen Instandsetzungen erneuerte man im Frühjahr 2019 hier die maschinelle Schlammentwässerung. Denn auch hier gilt: je „trockener“ der Klärschlamm, umso besser die Weiterverarbeitung. Im vergangenen September folgten dann Arbeiten an der Brauchwasseranlage und die Erneuerung der Maschinen- sowie Elektrotechnik des Rechenhauses. Trotz der allgemeinen „Coronalage“ schloss der Lippeverband die Arbeiten ganz nach Plan im Dezember ab.

Jetzt steht in den kommenden Monaten die komplette Erneuerung eines Klärschlammpumpwerkes an. Vereinfacht gesagt, leitet diese Anlage den überschüssigen Klärschlamm aus dem Reinigungsprozess aus. Nicht nur alle Rohrleitungen der Anlage werden erneuert, sondern auch das Gebäude sowie die komplette Maschinen- sowie Elektrotechnik. Die Arbeiten sollen im Sommer 2021 abgeschlossen sein. Die Investitionskosten belaufen sich auf rund 2,8 Mio. Euro.

Der Lippeverband in Marl
Als öffentlich-rechtlicher Wasserwirtschaftsverband betreibt der Lippeverband in Marl drei Kläranlagen, sechs Pumpwerke, vier Sonderbauwerke wie Hochwasser- oder Regenrückhaltebecken und rund 900 Meter Kanäle. Außerdem unterhält der Verband in Marl rund 20 Kilometer Wasserläufe, wovon rund 7,8 Kilometer zur Lippe zählen.

In der Kläranlage Marl-West des Lippeverbandes wurden im Jahr 2019 3.591.376 Kubikmeter Abwasser (im Vorjahr: 3.372.152) gereinigt, in der Kläranlage Marl-Ost waren es 2.627.462 Kubikmeter (im Vorjahr: 2.508.688) und in Marl-Lenkerbeck 1.437.984 Kubikmeter (im Vorjahr 1.303.264).