Artenvielfalt und Hochwasserschutz gehen Hand in Hand

Zum "Tag der Artenvielfalt" am Samstag, 22. Mai: Bedrohte Kiebitze finden neue Brutplätze auf Retentionsflächen an der Boye

Bottrop. Technische Anlagen und Biodiversität müssen kein Widerspruch sein – das beweist aktuell der Emscher-Umbau im Bereich der Boye. Im Retentionsraum Am Schleitkamp in Bottrop-Kirchhellen fühlt sich mittlerweile auch der bedrohte Kiebitz (Vanellus vanellus) wohl.

Der Kiebitz – ein Vertreter der Familie der Regenpfeifer – ist mit seinem markanten Äußeren unverkennbar. Seiner weißen Unterseite steht eine schwarze bis grünlich schimmernde Oberseite entgegen. Einst war der Vogel in vielen Gebieten Deutschlands heimisch, doch heute gelten seine Bestände als stark gefährdet. Grund dafür ist der Verlust potentieller Brutplätze. In Bottrop-Kirchhellen konnte die Emschergenossenschaft jedoch Maßnahmen zum Hochwasserschutz mit der Schaffung eines neuen Lebensraumes für zahlreiche Arten verbinden.

Im Jahr 2005 begannen die wasserbaulichen Maßnahmen an der Boye und der Bau der Retentionsräume „Am Schleitkamp und Hohe Heide“, sie endeten Anfang 2009. „Bereits während der Baumaßnahmen wurden der Artenschutz und gewässerökologische Belange berücksichtigt,“ sagt Projektleiter Reiner Tatus von der Emschergenossenschaft. Matthias Hower, Landschaftsplaner bei der Emschergenossenschaft, ergänzt: „Die entstandenen Retentionsflächen dienen nicht nur dem schadlosen Hochwasserabfluss, sondern stellen naturnahe Feuchtwiesen und somit Lebensräume für spezialisierte Arten dar.“ Mittlerweile sind im Retentionsraum „Am Schleitkamp“ unter anderem wieder brütende Kiebitze beobachtet worden.

Insgesamt gibt es aktuell vier Kiebitz-Paare auf der Fläche. Darüber hinaus hat die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet (BSWR) bereits Durchzügler wie Silberreiher, Störche oder die selten gewordene Bekassine, die auf der Fläche rasten, registriert. Während das landwirtschaftliche Umfeld im Sommer trocken und warm ist, stellt die Feuchtsenke an der Boye einen willkommenen Kontrast mit ausreichendem Nahrungsangebot für Jungvögel dar. Ein Schlüsselpunkt für die Ansiedlung der Kiebitze war die Grünpflege der Fläche durch die Emschergenossenschaft. Das Herunterschneiden der Gehölze sichert die Lebensraumansprüche der Vögel, die offene Flächen in Wassernähe für ihre Nester bevorzugen. Dies macht die Fläche zu einem äußerst wertvollen Rückzugsgebiet für die Kiebitze in Bottrop: Im gesamten Stadtgebiet konnte die Biologische Station im Jahre 2020 nur noch 11 Reviere nachweisen, während es 2017 noch 25 waren.

Die Emschergenossenschaft weist darauf hin, dass diese geringen Bestände angemessen geschützt werden müssen. Die wichtigsten Zutaten sind dabei Abstand und Ruhe. Es liegt an den Menschen, Störungen an den Brutplätzen zu vermeiden. Daher sollten Spazierende und ihre Vierbeiner die Retentionsflächen unter keinen Umständen betreten und die Zugangsverbote einhalten. Dies dient nicht nur dem eigenen Schutz, sondern auch dem der sensiblen Tierarten! So können alle einen Beitrag zum Artenschutz leisten.

Hintergrund: Biodiversitätsinitiative
Der drastische, weltweite Rückgang der Artenvielfalt ist besorgniserregend. Der negativen Entwicklung will der öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft entgegenwirken und die Biodiversität an Gewässern und auf verbandseigenen Anlagen stärken. Der ökologische Gewässerumbau im Emscher-Gebiet, die nachhaltige Nutzung vieler wasserwirtschaftlicher Anlagen und das gezielte Wiederansiedeln von verschiedenen, selten gewordenen Fischarten sind nur einige Beispiele für bereits laufende Maßnahmen.

Biodiversität ist ein Kernbestandteil des Programms „Lebendige Gewässer“, das an Gewässern wie Auen erfolgreich umgesetzt wird. Der Gewässerumbau wird dazu seit vielen Jahren durch ein intensives Monitoring begleitet, das z.B. die Entwicklung der gewässertypischen Fauna und Flora, darunter auch gefährdete Arten, beobachtet. Insgesamt hat sich beispielsweise im Zuge der ökologischen Verbesserung der Emscher seit rund 30 Jahren die Artenzahl gewässerlebender wirbelloser Tiere im Emscher-Gebiet etwa verdreifacht.

Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das effizient Aufgaben für das Gemeinwohl mit modernen Managementmethoden nachhaltig erbringt und als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz.

Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren knapp 5,5 Milliarden Euro investiert werden. www.eglv.de