Emscher-Umbau: Firmen aus dem Ruhrgebiet profitierten erheblich
Studie der TU Dortmund zu den ökonomischen Mehrwerten des Emscher-Umbaus belegt immens positiven wirtschaftlichen Effekt für die heimische Wirtschaft
Ruhrgebiet/NRW. Der Emscher-Umbau ist das größte europäische Infrastrukturprojekt der vergangenen Jahrzehnte. Mehr als 5,5 Milliarden Euro hat die Emschergenossenschaft in die Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität an den Emscher-Gewässern investiert. Dafür wurden vier neue moderne Großkläranlagen, 430 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen und drei gigantische Pumpwerke gebaut. Mehr als 150 Kilometer an Flusslandschaften wurden renaturiert, rund 130 Kilometer an neuen Radwegen geschaffen. Nicht weniger beeindruckend als diese Kennzahlen sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie zu den wirtschaftlichen Effekten des Emscher-Umbaus, die von der Technischen Universität Dortmund im Auftrag der Emschergenossenschaft erstellt wurde: Knapp 44.000 Arbeitsplätze sind durch den Emscher-Umbau entstanden, rund 2 Milliarden Euro Auftragssumme gingen an Firmen im Ruhrgebiet. Die Mehrwerte des Emscher-Umbaus gehen dabei weit über die reinen Wirtschaftsdaten hinaus.
„Der Emscher-Umbau ist nicht nur ein weltweit einzigartiges Projekt zur Renaturierung einer ganzen Flusslandschaft. Seit drei Jahrzehnten ist er auch der Motor der heimischen Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Die regionalökonomischen Effekte des Emscher-Umbaus sind ganz erheblich, wie die aktuelle Studie der TU Dortmund nun belegt“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft. Zu Beginn des Emscher-Umbaus im Jahr 1992 lag der Fokus auf der wasserwirtschaftlichen Optimierung des Emscher-Flusssystems aus technischer Sicht. Die Umgestaltungsplanungen beschränkten sich im Wesentlichen auf den engeren Flusslauf bzw. die Eigentumsflächen der Emschergenossenschaft. Es ging primär um eine Verbesserung des Gewässerzustands, die Wirtschaftlichkeit der Infrastruktur, den Hochwasserschutz und vor allem um die Beseitigung der Geruchsbelästigung durch die seinerzeit offenen Schmutzwasserläufe.
Aus dem reinen Abwasserprojekt wurde eine Regionalentwicklungsstrategie
In der 30-jährigen Umsetzung des Generationenprojekts Emscher-Umbau erfolgte jedoch eine sukzessive thematische Auffächerung des Zielspektrums hin zu einer proaktiven Regionalentwicklungsstrategie, die die Emschergenossenschaft in enger Partnerschaft mit ihren Mitgliedern entwickelte. Neue Zielbereiche wurden in die ursprüngliche Umbaustrategie integriert, wie z.B. die Erhöhung der Erholungs- und Freizeitqualität, die Profilierung des Landschafts- und Stadtbildes, die nachhaltige Quartiersentwicklung, eine Förderung von Kunst und Kultur sowie ganz besonders die Anpassung an den Klimawandel.
Der Emscher-Umbau sollte damit einen Mehrwert schaffen, der über das ursprünglich Angestrebte hinausgeht, die Region insgesamt aufwertet, die Lebensqualität für die Menschen verbessert und einen Beitrag zum Strukturwandel im Ruhrgebiet leistet. „Die nun vorgelegte Studie untersuchte diesen Mehrwert des Emscher-Umbaus, indem zum einen der Stand der Zielerreichung in den verschiedenen Zielbereichen und zum anderen die regionalwirtschaftlichen Wirkungen des Umbaus analysiert wurden“, sagt Prof. Thorsten Wiechmann, Dekan der Fakultät Raumplanung an der TU Dortmund.
Überproportionaler Zuwachs von Arbeitsplätzen im Bereich des Tiefbaus
Die regionalökonomische Impact-Analyse belegt, dass der Emscher-Umbau allein durch sein Finanzvolumen von rund 5 Milliarden Euro nennenswerte wirtschaftliche Effekte für die Region und darüber hinaus gehabt hat. Lokalwirtschaftlich konnten temporäre Effekte insbesondere in der Bauwirtschaft und dem damit verbundenen Arbeitsmarkt nachgewiesen werden. Weitere erkennbare Effekte waren die Synergiebildung von Firmen sowie die Entwicklung von Innovationen in den Bereichen Spezialbeton, Photooxidationsanlagen und Robotik. Die beauftragten Firmen konnten sich teilweise spezialisieren sowie Fachpersonal und Kompetenzen aufbauen, wodurch die Firmen von der Emschergenossenschaft unabhängige Aufträge akquirieren konnten und können. „Dadurch hat die zunächst strukturschwache Region einen Wissenszufluss erlangt, der auf Firmenebene nachhaltig Mehrwert generiert“, so Wiechmann.
Mehr als 5 Milliarden Euro hat die Emschergenossenschaft in den Emscher-Umbau investiert. Der Studie lag der Ausgabenstand von 4,7 Milliarden Euro zu Grunde, der allein Sekundäreffekte von knapp 3,9 Milliarden Euro generierte. Die regionalökonomischen Wirkungen des Projektes sind immens: Der Emscher-Umbau hat einen Beschäftigungseffekt von knapp 44.000 Arbeitsplätzen erwirkt. Zu 40 Prozent verteilte sich dieser Effekt auf das Ruhrgebiet und zu 75 Prozent auf Nordrhein-Westfalen.
Rund 1,9 Milliarden Euro gingen im Zuge von Bauaufträgen an Firmen im Ruhrgebiet. Die Bauwirtschaft der Emscher-Region hat damit von dem Generationenprojekt stark profitiert. Der Abschwung der frühen 2000er-Jahre konnte abgefedert werden. Verzeichnet wurde ein überproportionaler Zuwachs von Arbeitsplätzen im Bereich des Tiefbaus von bis zu 45 Prozent. Die Beschäftigtenzahl in der Gelsenkirchener Bauwirtschaft zum Beispiel wuchs während des Emscher-Umbaus um 14,6 Prozent.
Die Summe aller Effekte zusammengerechnet hat der Emscher-Umbau einen wirtschaftlichen Gesamtimpuls von 13,2 Milliarden Euro setzen können.
Positive Korrelation zwischen Renaturierung und Immobilienmarktentwicklung
Auch die Immobilienmarktanalyse zeigt, dass der Umbau der Emscher insbesondere an den renaturierten Bereichen in Holzwickede und Dortmund sowie an den vielen Nebenläufen zu einer Aufwertung beigetragen hat. Messbare Wertsteigerungen lassen sich aber nur an wenigen Orten nachzeichnen, bei denen sogenannte „Amenities“ wie ein naturnahes Radwegenetz und der Zugang zum Wasser gebündelt geschaffen wurden. Aber auch in vielen anderen Bereichen entlang der Emscher und ihrer Nebenläufe wurden Entwicklungshemmnisse, wie z. B. Geruchsbelästigungen, beseitigt und damit eine notwendige, allein aber nicht hinreichende Entwicklungsvoraussetzung geschaffen. Gerade im Unterlauf der Emscher ist die Umgestaltung noch nicht vollendet, sodass entsprechende Effekte noch nicht eintreten konnten. Zusammengefasst erfolgte die Aufwertung der Immobilien hauptsächlich durch Renaturierung, optische Verschönerung des Gewässerbildes sowie einer Verbesserung der Natur und Freizeitqualität.
Der indirekte Effekt des Emscher-Umbaus wird durch die Stabilisierung und teilweise deutliche Aufwertung der Immobilienpreise deutlich. Immobilien Hot-Spots – also solche mit hoher Aufwertung – wurden in Castrop-Rauxel, Dortmund, Essen und Herne identifiziert. „Dieser Standort-aufwertende und ökologische Impact der vom Abwasser befreiten Emscher ist eine Investition in die Zukunft der Region im Wettbewerb der Standorte“, sagt Wiechmann.
Fazit
„Der Kernbeitrag des Emscher-Umbaus war die Behebung von infrastrukturellen Rückständen. Doch der Emscher-Umbau durch die Emschergenossenschaft ist nicht nur als wasserwirtschaftliche oder abwassertechnische Maßnahme konzipiert. Die Renaturierung der Emscher stellt einen wichtigen Impuls der städtebaulichen und ökonomischen Entwicklung im Ruhrgebiet dar, das massiv unter dem Strukturwandel seit den 1970er-Jahren zu leiden hatte“, fasst Wiechmann zusammen.
Mit der Abwasserfreiheit in der Emscher Ende 2021 ist der Emscher-Umbau nach Erreichen des Hauptziels zwar abgeschlossen worden, doch die Emschergenossenschaft hat noch eine ganze Menge vor in der Region. Die abwasserfreien Gewässer werden in den kommenden Jahren renaturiert, zudem stehen Maßnahmen zur Klimaanpassung ebenso im Fokus wie Re-Investitionsmaßnahmen und Ertüchtigungen der Betriebsanlagen. Die Emschergenossenschaft bleibt als regionaler und öffentlich-rechtlicher Wasserwirtschaftsverband nicht nur als wichtiger Betreiber von Kritischer Infrastruktur systemrelevant, sondern auch weiterhin als Motor der heimischen Wirtschaft.
Erfreulich sind in diesem Kontext die Ergebnisse einer Online-Befragung der regionalen Fachöffentlichkeit. Diese ergab ein ausgesprochen positives Bild bezüglich der Zufriedenheit mit der Arbeit der Emschergenossenschaft in Bezug auf den Emscher-Umbau: 95 Prozent der Befragten zeigten sich zufrieden oder sehr zufrieden mit der Arbeit der Emschergenossenschaft.
Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, sagt: „Mit der blaugrünen Umgestaltung der Emscher-Gewässerlandschaften schaffen wir die räumlichen Voraussetzungen für eine positive Entwicklung dieser Region. Der Abschluss des Emscher-Umbau markiert kein Ende, sondern den Beginn einer Transformation des Ruhrgebietes, die angesichts des Klimawandels als größte Herausforderung in der Zukunft auch zwingend erforderlich ist.“
Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz. Seit 1992 plante und setzte die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren knapp 5,5 Milliarden Euro investiert wurden. www.eglv.de