Vierte Reinigungsstufe wirkt, ist aber auch kostenintensiv
Mikroverunreinigungen im Wasser: Kommunalabwasserrichtlinie will Kosmetik- und Pharmaindustrie in die (Bezahl-)Pflicht nehmen und Gebührenzahlende entlasten
Essen. Vom 24. bis 28. Juni 2024 findet auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen die Leading Edge Conference für Wasser- und Abwassertechnologien (#iwaLET) statt. Die Anmeldung zur Konferenz ist unter https://iwa-let.org/ möglich. Besucherinnen und Besucher erwarten bei der Veranstaltung spannende Vorträge zu den modernsten abwassertechnischen und wasserpolitischen Entwicklungen – wie zum Beispiel rund um die Themen „Vierte Reinigungsstufe“ und „Kommunalabwasserrichtlinie“.
Was Menschen hilft, schadet Lebewesen im Gewässer: Bei Rücken- oder Gelenkschmerzen schnell eine Salbe auftragen oder bei Kopfschmerzen fix eine Tablette einnehmen – das kennt vermutlich jeder. Doch wenn die Schmerzen beim Patienten schon längst vergessen sind, wirken die Reste der Medikamente in der Natur noch nach. Durch die Abwässer von Gewerbe, Industrie und auch privater Haushalte – z. B. durch Medikamentenrückstände im Urin oder abgewaschene Salben im Duschwasser – gelangen Mikroschadstoffe in die Flüsse. Diese Spurenstoffe schaden der aquatischen Umwelt, also Wasserlebewesen aller Art, die Langzeitwirkung auf den Menschen ist noch nicht erforscht.
Die vierte Reinigungsstufe
Im Zuge des Generationenprojektes Emscher-Umbau hatte die Emschergenossenschaft in 30 Jahren über 430 Kilometer unterirdischer Abwasserkanäle sowie vier moderne Kläranlagen – darunter die Kläranlage Dortmund-Deusen – neu gebaut. Das Ziel, eine nach über 170 Jahren des „Köttelbecken“-Daseins vollständig vom Abwasser befreite Emscher, wurde Ende 2021 erreicht. Ganz aktuell folgt mit dem Ausbau der vierten Reinigungsstufe ein weiterer wichtiger Schritt, um die Wasserqualität der Emscher weiter zu verbessern. „In Trockenzeiten stammen bis zu 90 Prozent des Emscher-Wassers in Deusen aus der dortigen Kläranlage. Deshalb ist hier der Ausbau die ökologisch sinnvollste Lösung und eine wichtige Investition in den Lebensraum Emscher, von der Mensch und Umwelt profitieren“, erklärt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.
Die Emschergenossenschaft erweitert die Kläranlage in Dortmund-Deusen zurzeit um eine Pulveraktivkohlefiltration mit vorgeschalteter Belüftung und nachgeschaltetem Tuchfilter. Das Ende der Baumaßnahme ist für das erste Quartal 2025 geplant. „Wenn zukünftig dank der vierten Reinigungsstufe schädliche Spurenstoffe aus dem Wasser geklärt werden, hat dies nicht nur positive Auswirkungen auf Flora und Fauna in der Emscher in Dortmund-Deusen – vielmehr hat die Natur entlang des gesamten weiteren Verlaufs des Flusses eine größere Chance, sich ökologisch weiterzuentwickeln“, sagt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.
Die vierte Reinigungsstufe (nach der mechanischen, biologischen und chemischen Reinigung) ist keine bestimmte Klärtechnik, sondern bezeichnet eine ganze Reihe verschiedener Optionen wie Ozonierung, Membranfiltration oder Aktivkohlefiltration. Ziel der zusätzlichen Klärtechnik ist das „Herausfiltern“ von Spurenstoffen, d. h. Mikroschadstoffe wie etwa aus Medikamentenresten, Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln, Korrosionsschutzmitteln und synthetischen Duftstoffen in Körperpflegeprodukten etc. Viele dieser Spurenstoffe können nicht ausreichend von herkömmlichen Großkläranlagen effizient beseitigt werden und gelangen so in die Gewässer. Aus der fast unüberschaubaren Vielzahl an Substanzen werden sogenannte Indikatorparameter für Mikroschadstoffe festgelegt, um die Wirksamkeit der vierten Reinigungsstufe zu kontrollieren. Diese sind unter anderem Wirkstoffe wie Diclofenac (in Schmerzmitteln enthalten) und Benzotriazol (in Geschirrspülmitteln enthalten).
Kommunalabwasserrichtlinie will Gebührenzahlende entlasten
Die Ausrüstung von Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe ist sehr kostenintensiv – sowohl im Bau als auch im späteren Betrieb. Hier kommt die neue Kommunalabwasserrichtlinie ins Spiel: Das Europäische Parlament hat sie jüngst bestätigt. Die Richtlinie, die nach der Europawahl zunächst noch sowohl vom dann neugewählten Parlament als auch vom Europäischen Rat final verabschiedet werden muss, sieht nicht nur eine Energieautarkie der Abwasserwirtschaft bis 2045 vor sowie neue Anforderungen an das Regenwassermanagement. Sie beinhaltet auch eine erweiterte Herstellerverantwortung bei der Eliminierung von Spurenstoffen im (Ab-)Wasser. Konkret bedeutet das: Kosmetik- und Pharmaindustrie, deren Produkte zur Belastung der Gewässer beitragen, müssen sich an den dadurch verursachten Kosten der Abwasserreinigung beteiligen. Dass die Richtlinie den Abwassergebührenzahlenden entlastet und die eigentlichen Verursachenden in die Pflicht nimmt, ist aus Sicht der Wasserwirtschaft nur folgerichtig.
Die #iwaLET
Die #iwaLET trägt zur weltweiten Weiterentwicklung der Wasser- und Abwassertechnik bei. Sie ist bekannt dafür, wichtige Innovationen hervorzubringen und deren schnelle Umsetzung in die Praxis zu fördern.
Träger der Konferenz ist die International Water Association (IWA) mit Sitz in London. Die IWA ist das weltweit größte Netzwerk von Unternehmen, Expert*innen und Institutionen der Wasserwirtschaft aus 140 Ländern. Die Gastgeber der #iwaLET, der Ruhrverband, Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV) und die GELSENWASSER AG, laden Wasserwirtschaftler*innen herzlich ein, an diesem globalen Event teilzunehmen.
Die Konferenz findet auf dem Weltkulturerbe „Zeche Zollverein“ in Essen statt. Der Ort selbst, eine ehemalige Steinkohlenzeche, heute Museum und Weltkulturerbe, ist ein Symbol des Wandels.
Die Gastgeber:
International Water Association: https://iwa-network.org
Ruhrverband: www.ruhrverband.de
GELSENWASSER AG: www.gelsenwasser.de
Emschergenossenschaft/Lippeverband: www.eglv.de