Gemeinsam auf Sturzfluten vorbereiten
Auftaktveranstaltung des europäischen „FlashFloodBreaker“-Projekts fand im belgischen Lüttich statt
Emscher-Lippe-Gebiet/Lüttich. Die steigende Anzahl an Sturzfluten ist eine zunehmende Gefahr in Folge des Klimawandels. Besonders die Ereignisse im Juli 2021 im Ahrtal sind vielen noch gut in Erinnerung und auch die Überflutungen in Süddeutschland in diesem Jahr zeigen, dass diese sowohl menschliche Verluste als auch enorme wirtschaftliche Schäden mit sich bringen. Um besser auf extreme Sturzfluten vorbereitet zu sein, wurde die internationale Kooperation „FlashFloodBreaker“ ins Leben gerufen. Die Emschergenossenschaft ist federführend unter den insgesamt 13 Partner*innen aus sechs verschiedenen europäischen Ländern. Sie beteiligt sich gemeinsam mit dem Lippeverband und der Feuerwehr Duisburg an verschiedenen Bausteinen der über vier Jahre laufenden Kooperation, die mit 7,15 Millionen Euro durch den Zusammenschluss Interreg North-West Europe des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wird. Als Startschuss fand nun eine internationale Konferenz in Lüttich, Belgien mit über 100 Teilnehmer*innen statt.
Eine Sturzflut ist die plötzliche Überschwemmung eines Gebietes mit einem extrem schnellen Wasseranstieg, der bei langanhaltenden und schweren Niederschlägen in tiefer liegenden Gebieten auftritt. Neben Tälern sind auch Ballungs- und Poldergebiete von der Gefahr zunehmend betroffen. Mit rund 40 Prozent Polderfläche ist die Emscher-Lippe-Region ein Risikogebiet, aus dem das Wasser nicht abfließen kann und welches zudem in Teilen eine hohe Bevölkerungsdichte aufweist. FlashFloodBreaker strebt eine Stärkung der transnationalen Vorbereitung und Reaktion auf Sturzflutereignisse an. „Die Verbesserung des Sturzflut- und Hochwasserschutzes bleibt hochrelevant. Neben technologischen Innovationen arbeiten wir in dem Projekt auch an organisatorischen Lösungen, um extreme Hochwassersituationen besser zu managen“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband.
Im Rahmen von FlashFloodBreaker werden insgesamt sechs verschiedene Pilotaktivitäten zur verbesserten Vorhersage, Schadens-Prognose und -Erkennung sowie Schulungen und landes- und kooperationsübergreifende Zusammenarbeit umgesetzt. Neben Wasserwirtschaftsverbänden und kommunale Gefahrenabwehrbehörden sind Hochschulen zur wissenschaftlichen Begleitung des Projektes involviert. Ziel ist es, länderübergreifende Strategien zu erarbeiten, um Menschen sowie Infrastrukturen auf Sturzflutszenarien vorzubereiten, frühzeitig zu warnen, zu schützen und zu retten. Denn: Wasser macht nicht vor Ländergrenzen halt.
Beteiligung der Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) im FlashFloodBreaker
EGLV sind an mehreren Projektbausteine für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen beteiligt. Dabei setzen die Wasserwirtschaftsverbände zunehmend auf die Unterstützung durch künstliche Intelligenz (KI) sowohl bei der Vorbereitung auf Sturzfluten als auch beim Einsatz im Akutfall. Zur Vorbereitung auf Sturzflut- und Hochwasserszenarien kann KI helfen, Simulationen zu erstellen und bereits im Vorfeld mögliche Gefährdungsszenarien und -stellen zu erkennen. Außerdem soll KI im Ernstfall bei der Auswertung von Echtzeit-Drohnenaufnahmen und bei Auswirkungsprognosen zum Einsatz kommen. So können größere Flächen auf ihr Risiko analysiert werden und genauere Vorhersagen über Fließrichtung und -geschwindigkeit getroffen werden. In einer Überflutungs- oder Hochwassersituation werden potenziell betroffene Straßen, störendes Treibgut oder mögliche Schäden an Deichen schneller erfasst. Die Technologie zur Anwendung von KI sowie zur Umsetzung von Echtzeit-Drohnenaufnahmen und -Prognosen werden im Rahmen von FlashFloodBreaker weiterentwickelt und getestet.
Beteiligung Feuerwehr Duisburg
Schnell reagieren müssen neben Wasserwirtschaftsverbänden vor Ort auch die Einsatzkräfte der Feuerwehr oder Mitarbeitende der Wirtschaftsbetriebe Duisburg, welche für die Verteidigung der kommunalen Deiche und weiterer Hochwasserschutzanlagen verantwortlich sind. Üben können sie dies zukünftig an einem „nassen Übungsdeich“, der im Rahmen von FlashFloodBreaker in Duisburg entsteht. In einen Übungsdeich werden dafür Wasserschläuche platziert, um Schadensszenarien am Deich durch Hochwasser nachstellen zu können. Die Möglichkeiten reichen von Schäden an einzelnen Stellen bis hin zu einem völlig durchnässten Deich. So werde eine potenzielle Hochwasserlage realistischer dargestellt, erklärt Christian von Spiczak, Sachbearbeiter für das Hochwasserrisikomanagement bei der Feuerwehr Duisburg. „Häufig werden Hochwasserszenarien an trockenen Deichen geübt. Der nasse Zustand kann allerdings einen enormen Unterschied in der Verteidigung des Deiches machen.“ Egal ob Deichsicherung oder der effektive Einsatz von Sandsäcken – „Übung macht den Meister“ heißt das Motto. Von dem speziellen Übungsdeich profitieren auch die transnationalen Kooperationspartner, mit welchen gemeinsam Krisenstabs- sowie Hochwasserübungen durchgeführt werden.
Die Auftaktkonferenz in Lüttich wurde vom belgischen Projektpartner „Public Service of Wallonia“ gemeinsam mit der Emschergenossenschaft als federführender Partner der Kooperation organisiert. Die Region Wallonie in Belgien wurde schwer von verheerenden Überflutungen im Juli 2021 getroffen. Die Vertreter*innen aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Irland und Luxemburg diskutierten über territoriale Ansätze zum Management von Sturzfluten. Eine Exkursion zum Vesdre-Tal, welche stark von den Fluten getroffen wurde, zeigte von einer praktischen Seite wie die Talsperre eine entscheidende Rolle zur Verringerung der Katastrophe gespielt hat.
Das Projekt läuft bis 2028 und kostet rund 12 Millionen Euro. Davon werden 7,15 Millionen Euro durch das Programm Interreg North-West Europe mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.
Emschergenossenschaft und Lippeverband
Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV) sind öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsunternehmen, die als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip leben. Die Aufgaben der 1899 gegründeten Emschergenossenschaft sind unter anderem die Unterhaltung der Emscher, die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie der Hochwasserschutz. Der 1926 gegründete Lippeverband bewirtschaftet das Flusseinzugsgebiet der Lippe im nördlichen Ruhrgebiet und baute unter anderem den Lippe-Zufluss Seseke naturnah um. Gemeinsam haben Emschergenossenschaft und Lippeverband rund 1.700 Beschäftigte und sind Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken (rund 782 Kilometer Wasserläufe, rund 1533 Kilometer Abwasserkanäle, 546 Pumpwerke und 59 Kläranlagen). www.eglv.de