Die Dorstener Aak – eine lebendige Geschichtsstation
Nachbau eines historischen Schiffs als Bildungs- und Integrationsprojekt
Vor dem Freizeitbad Atlantis hat ein Schiff geankert: Ab sofort lädt der Nachbau des historischen Lastschiffs „Dorstener Aak“ Interessierte dazu ein, in die Geschichte…
Vor dem Freizeitbad Atlantis hat ein Schiff geankert: Ab sofort lädt der Nachbau des historischen Lastschiffs „Dorstener Aak“ Interessierte dazu ein, in die Geschichte der Stadt, des Flusses Lippe und der damaligen Schifffahrt einzutauchen.
Das 20 Meter lange und fünf Meter breite Schiff, das insgesamt 48 Arbeits- und Ausbildungssuchende im Bildungs- und Integrationsprojekt „Eine Aak für Dorsten“ originalgetreu nachgebaut haben, beherbergt nun eine Ausstellung.
Der Lippeverband sowie der Verein für Orts- und Heimatkunde Dorsten in Kooperation mit der Stadt Dorsten haben diese Geschichtsstation erarbeitet. Bürgermeister Tobias Stockhoff, Dr. Emanuel Grün (Vorstand Lippeverband) und Dr. Josef Ulfkotte (Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde) weihten die Aak am Mittwoch ein im Beisein von Vertretern vieler Institutionen, die an diesem Projekt beteiligt waren.
Der Nachbau der Aak
Der Nachbau einer historischen Aak war von Anfang Dezember 2016 bis Ende Mai 2018 ein Bildungs- und Integrationsprojekt innerhalb des Stadterneuerungsprozesses „Wir machen MITte – Die integrierte Entwicklung der Innenstadt“. Nachdem das Schiff fertiggestellt und im Dezember 2018 an seinem Liegeplatz vor dem Freizeitbad Atlantis aufgestellt wurde, wurde es am Mittwoch (03.07.2019) seiner endgültigen Bestimmung als begehbare und lebendige Geschichtsstation übergeben. Der spektakuläre Nachbau selbst und auch die Ausstellung im Innern erzählen von der historischen Lippe-Schifffahrt, die bereits zu Zeiten der Römer dokumentiert ist.
Das Projekt
Insgesamts 48 Arbeits- und Ausbildungssuchende haben über den Projektzeitraum daran mitgewirkt, die Aak im Bildungs-Centrum Nies originalgetreu nachzubauen. In der firmeneigenen Tischlerei des Bildungs-Centrums Nies wurden die Teilnehmenden unterrichtet. Durch die handwerkliche Ausbildung gelang es, sie mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes vertraut zu machen und ihnen neue Perspektiven für den Schritt in Ausbildung oder Arbeit zu eröffnen. Projektträger war die Stadt Dorsten im Rahmen des Stadterneuerungsprozesses „Wir machen MITte“. Das Land Nordrhein- Westfalen setzt auf vorbeugende Armutsbekämpfung in besonders benachteiligten Stadtteilen und unterstützte dieses Projekt aus Mitteln des Landes und des Europäischen Sozialfonds. Der Arbeitskreis Jugend e.V. (aus Mitteln der Sparkasse Vest Recklinghausen) sowie der Lippeverband überahmen weitere Teile der Finanzierung.
Flankiert wurde das Projekt zudem vom Jobcenter Kreis Recklinghausen im Rahmen der Förderung beruflicher Integration. Das Freizeitbad Atlantis war nicht nur der Gastgeber am Eröffnungstag, sondern ist nun auch die „Herberge“ der Aak. Die Techniker des Atlantis-Teams haben sich um Stromversorgung und Brandschutz gekümmert, den Fußboden im Schiffsrumpf verlegt und die Aak so liegefertig gemacht. „Der Nachbau der Aak verdeutlicht ideal den Anspruch des Programms Wir machen MITte zu integrieren“, sagte Bürgermeister Tobias Stockhoff am Mittwoch bei der Eröffnung. „Das Projekt verbindet eine Qualifizierung mit dem Bau einer außergewöhnlichen Geschichtsstation. Alle, die daran gebaut haben, haben die Chance zur Integration in den Arbeitsmarkt bekommen. Neben den Ideengebern, den fördernden Institutionen und den Sponsoren haben nun Verein für Orts- und Heimatkunde, Lippeverband und Stadt diese informative Ausstellung zu einem bedeutenden Kapitel
der Stadtgeschichte geschaffen. Das Ergebnis ist ein außergewöhnliches Gemeinschaftswerk.“
Die Ausstellung
Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand des Lippeverbandes, ergänzt: „Da die Geschichte der Lippe untrennbar mit der des Lippeverbandes verbunden ist, freue ich mich sehr, dass unser
Wasserverband nicht nur Teil der Ausstellung ist, sondern aktiv an der Gestaltung mitgewirkt hat. Früher war die Lippe ein belasteter Industriefluss, heute sorgen wir durch moderne Klärtechnik fürsauberes Wasser und schaffen mit Renaturierungen nachhaltige Ökosysteme an Fluss und Aue.“
Die Ausstellung mit dem Titel „Aak – ein Schiff mit Geschichte“, die gemeinsam vom Verein für Orts- und Heimatkunde Dorsten e.V., dem Lippeverband und der Stadt Dorsten erstellt worden ist, bringt Interessierten die Geschichte der Lippe, der Stadt und des Schiffbaus an der Lippe näher. Besucherinnen und Besucher können hier während der Öffnungszeiten des Freizeitbades Atlantis kostenlos in vergangene Zeiten eintauchen und mehr erfahren über das Gewässer, über Schiffbau und Industrialisierung. Die Aak wird zudem eine wichtige Station von Stadtspaziergängen und geführten Touren der Stadtinfo Dorsten.
Die Geschichte der Schifffahrt auf der Lippe
„Die Geschichte der Lippe-Schifffahrt blickt auf eine 2000-jährige Geschichte zurück“, erläutert Dr. Josef Ulfkotte, Vorsitzender des Vereins für Orts- und Heimatkunde. Bereits die Römer versorgten ihre Truppen an der Lippe über Transportschiffe. Die Lippe spielt auch danach in Dorsten eine wichtige Rolle. Im Mittelalter verdankte die Stadt ihrer Lage am Fluss ihre wirtschaftliche und strategische Bedeutung – Handelsgüter aus aller Welt wurden hier verschifft. Da Handelsgüter wie Holz, Salz oder Getreide begehrt waren, versuchte man, die Lippe durchgängig schiffbar zu machen. Ab 1826 war dank elf Schleusen eine Treidelschifffahrt von Wesel nach Lippstadt möglich: Pferde und Menschen zogen die Lastkähne überwiegend vom Typ der „Dorstener Aak“ und des „Dorstener Fliegers“ flussaufwärts. Zurück konnten sich die Schiffe treiben lassen.
Die Lippe – zurück zu alten Ufern
Ursprünglich war die Lippe ein typischer Flachlandfluss mit vielen Kurven, Schlingen, Sand- und Kiesbänken. Bei Hochwasser trat der Fluss regelmäßig über seine Ufer und ließ so eine lebendige Auenlandschaft mit Wäldern und sumpfigen oder grasigen Bereichen entstehen.
Mit Einzug der Industrialisierung im 19. Jahrhundert passten die Menschen den Fluss immer mehr ihren Bedürfnissen an. Hierzu gehörten Begradigungen und Verkürzungen des Flusses, Befestigungen der Ufer durch Steinaufschüttungen, Deichbauten als Hochwasserschutzmaßnahmen sowie der Bau von Wehren und Staustufen. Eine starke Verschmutzung durch die Einleitung von industriellen und kommunalen Abwässern kam hinzu.
Die Lippe war zu einem naturfernen, künstlich ausgebauten Fluss geworden, dessen Auen größtenteils vom Fluss abgeschnitten und trockengelegt waren. In den 1970er-Jahren begann ein Umdenkprozess, der bis heute anhält. Das Ziel ist, eine naturnähere Lippe zu schaffen. Auch wenn es kein Zurück zum Urzustand geben kann, soll die Lippe sich ihr Bett
wo immer dies möglich ist wieder selber suchen und zu einem ökologisch wertvollen und touristisch attraktiven Lebensraum werden. Mit dem Programm „Lebendige Lippe“ verfolgt der Lippeverband im Auftrag des Landes NRW dieses Ziel.
Das Programm „Lebendige Lippe“
Der Lippeverband übernimmt neben der allgemeinen Pflicht der Gewässerunterhaltung auch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an der Lippe. Hierzu hat der Lippeverband im Jahre 2013 im Auftrag des Landes NRW das Programm „Lebendige Lippe“ aufgelegt.
Übergeordnetes Ziel ist die langfristige Verbesserung und Wiederherstellung eines intakten Fluss-Auen-Ökosystems. Die Lippe soll mehr Struktur bekommen und sich lebendig in ihren Auen entfalten können. Innerhalb des Programms werden zahlreiche kleine und große Maßnahmen umgesetzt.