Dorsten und Schermbeck als Mikrokosmos der Wasserwirtschaft an der Lippe

Im Rahmen einer Rundreise: Lippeverband präsentierte seinen Gremien die wichtigsten Anlagen und Maßnahmen

Dorsten/Schermbeck. Flüsse und Bäche sind wichtige Lebensräume für Menschen und Tiere und müssen wieder zu Lebensadern der Natur werden. Mit dem Programm „Lebendige Lippe“ treibt der Lippeverband gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen diese notwendige ökologische Entwicklung der Gewässer, ihrer Ufer und Auen voran. Wie genau dies aussieht, präsentierte der öffentlich-rechtliche Lippeverband am Donnerstag seinen Delegierten, den Mitgliedern des Verbandsrates sowie den Vertreter*innen des Widerspruchsausschusses und der Naturschutzverbände nun direkt vor Ort – im Rahmen einer kleinen Rundreise durch Dorsten und Schermbeck.

Vorgestellt wurden vom Lippeverband – unter anderem – die Mündungsgestaltung des Schermbecker Mühlenbachs sowie die nahegelegene Kläranlage, das Projekt KlimaBeHageN sowie die laufende Baustelle am Rapphofs Mühlenbach.

Schermbecker Mühlenbach – Reisefreiheit für Fische
„Der Schermbecker Mühlenbach traf vor seiner Renaturierung relativ gerade und mit einem steilen Gefälle auf die Lippe – keine guten Lebensbedingungen für Fische, sondern im Grunde eine Einbahnstraße für die Wasserbewohner: Die Passierbarkeit auch entgegen der Fließrichtung war kaum möglich“, schildert Bodo Klimpel, Vorsitzender des Verbandrates des Lippeverbandes und Landrat des Kreises Recklinghausen, den vorherigen Zustand des Schermbecker Mühlenbachs. „Mit der naturnahen Umgestaltung des Mündungsbereichs in die Lippe haben wir für eine „Reisefreiheit für Fische“ gesorgt – diese können seitdem auch das Einzugsgebiet des Mühlenbachs besiedeln“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender des Lippeverbandes. In die Renaturierung hatte der Wasserwirtschaftsverband knapp 4,5 Millionen Euro investiert. Durch die Maßnahme ist der Lauf des Mühlenbachs um rund 270 Meter verlängert worden, die Anbindung an die Lippe gestaltet sich nun flacher und deutlich naturnäher – und: Die Mündung wurde zum Ausgleich des Höhenunterschiedes der beiden Gewässer um knapp 200 Meter weiter nach Westen verlegt.

Kläranlage Schermbeck – für eine bessere Gewässerqualität
Zur Verbesserung der Gewässerqualität sowohl im Schermbecker Mühlenbach als auch in der Lippe hat der Lippeverband in den vergangenen Jahren die Kläranlage Schermbeck ertüchtigt. Von April 2016 bis November 2022 wurde die Kläranlage auf den neuesten Stand gebracht und für den aktuellen Bedarf ausgebaut. Das Gesamtbudget des Projektes belief sich auf knapp 17,5 Millionen Euro. Zum Hintergrund der Baumaßnahme: Nach der letzten umfangreichen Sanierung in den 1990er-Jahren war die Kläranlage Schermbeck in die Jahre gekommen. Außerdem reichte das Behandlungsvolumen nicht mehr für die gestiegene Einwohnerzahl aus. „Das millionenschwere Sanierungsprojekt haben wir während des laufenden Betriebes umgesetzt – denn als unverzichtbare Infrastruktureinrichtungen müssen Kläranlagen rund um die Uhr laufen“, erklärt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand des Lippeverbandes.

In der sechs Jahre dauernden Sanierungsphase hat der Lippeverband die Anlage komplett überarbeitet: Der Wasserverband hat unter anderem zwei große Nachklärbecken neu gebaut, für die das Areal der Anlage erweitert wurde. Im Jahr reinigt die Kläranlage rund 1,3 Milliarden Liter Abwasser, was dem Inhalt von 15 Millionen Badewannen entspricht. Die Anlage liefert bei Normalabfluss mit etwa 40 Prozent einen beträchtlichen Teil der Wassermenge des Mühlenbachs.

Rapphofs Mühlenbach – Wiederherstellung eines natürlichen Gefälles
Neben diesen beiden bereits abgeschlossenen Maßnahmen präsentierte der Lippeverband im Rahmen der Rundreise auch ein noch aktives Bauprojekt: die Renaturierung des Rapphofs Mühlenbach in Dorsten. Bei dieser Maßnahme steht nicht nur die naturnahe Umgestaltung des Gewässers im Vordergrund, sondern vor allem die Wiederherstellung der natürlichen Vorflut – denn streckenweise verfügt der Bach über kein Gefälle. Ganz im Gegenteil: Ohne Pumpwerke würden die Nebenläufe Erdbach und Rennbach wegen des Höhenunterschieds im Mündungsbereich entweder gar nicht in den Rapphofs Mühlenbach hineinfließen (Erdbach) oder teilweise sogar rückwärts fließen (Rennbach).

Beim Umbau des Rapphofs Mühlenbach, der von Süden nach Norden aus Gelsenkirchen kommend in Dorsten in die Lippe mündet, wird auf einer Länge von 1,9 Kilometern ein durchgängiges Gefälle geschaffen. Insgesamt werden dazu über 100.000 Kubikmeter Boden abgetragen. 15 Millionen Euro werden in diese Maßnahme investiert, als Folge des Bergbaus zu 100 Prozent getragen von der RAG.

Der Bau erfolgt in drei Abschnitten. Von September 2017 bis August 2018 wurde zunächst ein Durchlassbauwerk zur Querung von Leitungen erstellt. Von Februar 2019 bis August 2020 wurde ein erster knapp 500 Meter langer Gewässerabschnitt des Mühlenbachs ausgebaut sowie die Brücke an der Altendorfer Straße erneuert. Seit Juli 2022 läuft nun der dritte und letzte Bauabschnitt: Dazu gehören unter anderem der Ausbau der restlichen zirka 1,4 Kilometer langen Gewässerstrecke, die Ertüchtigung der Brücken Kückelmannshof und Polsumer Weg, die Anbindung des Erdbachs an den Rapphofs Mühlenbach und der Rückbau des künftig nicht mehr benötigten Pumpwerks am Erdbach.

Nach Beendigung der Maßnahmen wird der Rapphofs Mühlenbachs im Schnitt zirka zwei Meter tiefer liegen, so dass die Nebenläufe Erdbach und Rennbach sohlgleich an den Mühlenbach angeschlossen werden können – ganz ohne Pumpwerke!

„Renaturierungen schaffen nicht nur Lebensräume, sondern machen die Gewässer auch weniger anfällig für Belastungen in Folge des Klimawandels. Unsere Maßnahmen zur ökologischen Verbesserung der Gewässer sind damit ein wichtiger und nachhaltiger Beitrag zur Anpassung an die klimawandelbedingt zu erwartende Zunahme von Starkregen- und Hochwasserereignissen“, sagt Dr. Dorothea Voss, beim Lippeverband Vorständin für Personal und Nachhaltigkeit.

KlimaBeHageN – Sicherung des Grundwasserangebots
Ebenfalls bei der Rundreise thematisiert wurde das Pilotprojekt „KlimaBeHageN“, bei dem seit 2020 Akteure aus Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Wissenschaft an der Frage gearbeitet haben, wie für den Landschaftsraum Dorsten langfristig das Grundwasserangebot über ein regionales Wassermanagement gesichert werden kann. Die vielfältigen Nutzungen wie Trinkwasserversorgung, Naturhaushalt und Landwirtschaft führen – zusammen mit den klimabedingten Niederschlagsschwankungen – hier zu einem Grundwassermangel. Die beteiligten Akteure haben sich mit den prognostizierten Bedarfen beschäftigt und sowohl verhaltensabhängige Verbesserungen wie auch technische Lösungen ermittelt.

Kurz- und mittelfristig können Optimierungen bei der Versickerung von Regenwasser, Veränderungen in der landwirtschaftlichen Praxis und z.B. die Steuerung von Drainagen Verbesserungen bewirken. Langfristig kann eine Anreicherung des Grundwassers durch eine Überleitung von Wasser aus dem Hammbach und dem Blauen See zu neuen Versickerungsanlagen Abhilfe schaffen. Hierfür sind nicht nur Investitionsmittel erforderlich, sondern auch neue Organisations- und Finanzierungsmodelle. Im Ergebnis sind konkrete Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung der Daseinsvorsorge nur im Schulterschluss aller Akteure und unter Einbeziehung der Bevölkerung möglich. Hieran will der Lippeverband weiter mit seinen Partnern arbeiten.

Der Lippeverband
Der Lippeverband ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Seine Aufgaben sind in erster Linie die Abwasserentsorgung und -reinigung, Hochwasserschutz durch Deiche und Pumpwerke und die Gewässerunterhaltung und -entwicklung. Dazu gehört auch die ökologische Verbesserung technisch ausgebauter Nebenläufe. Darüber hinaus kümmert sich der Lippeverband in enger Abstimmung mit dem Land NRW um die Renaturierung der Lippe. Dem Lippeverband gehören zurzeit 155 Kommunen und Unternehmen als Mitglieder an, die mit ihren Beiträgen die Verbandsaufgaben finanzieren. www.eglv.de