Startschuss für den Umbau von Essens unbekanntem Hauptfluss
Neue Kanäle befreien das Berne-System von der Abwasserfracht
Essen. Die Berne und ihre Nebenläufe sind das zentrale Entwässerungssystem in Essen. Die Befreiung der Gewässer vom Abwasser wird bereits seit mehreren Jahren vorangetrieben, nun starten in Kürze die letzten Bauabschnitte an Berne und Borbecker Mühlenbach. Dafür investiert die Emschergenossenschaft rund 130 Millionen Euro. Den symbolischen Spatenstich setzte der Wasserverband am Freitag gemeinsam mit der Stadt Essen am Sulterkamp – genau dort, wo der Borbecker Mühlenbach in die Berne mündet.
„Der Umbau dieser Gewässer ist mehr als nur ein wasserwirtschaftliches Projekt zur Modernisierung der abwassertechnischen Infrastruktur: Er fördert städtebauliche Impulse und bringt Mehrwert-Effekte für die Menschen in unserer Region“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft. Im bereits renaturierten Abschnitt des Borbecker Mühlenbachs südlich der A40 leben seit Jahren bereits wieder Fische, darunter die seltene Emscher-Groppe. Zahlreiche Betriebswege hat die Emschergenossenschaft zudem in den vergangenen Jahren zu Radwegen umgestaltet, die Berne-Route ist längst eine bei den Menschen sehr beliebte Nord-Süd-Achse als Verbindung zwischen dem Emscher- und dem Ruhrtal.
„Mit dem Emscher-Umbau schaffen wir grün-blaue Infrastrukturen, die es zu erleben und zu erfahren gilt: Rund 130 Kilometer an neuen Radwegen sind bereits infolge der Öffnung unserer Betriebswege entlang der Emscher-Gewässer entstanden – und es werden in Zukunft noch mehr werden“, verspricht Uli Paetzel. Seine Zukunftsvision kann Ullrich Sierau, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft und Dortmunder Oberbürgermeister, bestätigen – denn an der östlichen Emscher ist diese Vision schon Realität: „Bei uns in Dortmund ist der Emscher-Umbau bereits weitestgehend abgeschlossen. Wir können schon die Früchte des Erfolgs ernten. Im wahrsten Sinne des Wortes: Denn an der einstigen Köttelbecke wird heute tatsächlich Wein angebaut“, so Sierau. „Der Emscher-Umbau hat ein deutliches Mehr an Lebens-, Aufenthalts- und Wohnqualität mit sich gebracht.“
Gewinn für die Stadt
Sein Amtskollege Thomas Kufen freut sich bereits darauf, die Mehrwert-Effekte des Emscher-Umbaus auch in Essen zu erleben. „Die Renaturierung der Berne und ihrer Nebenläufe ist ein großartiger Gewinn für unsere Stadt – aus Schmutzwasserläufen werden wieder idyllische Flusslandschaften. Das schafft neue Möglichkeiten zur Naherholung und für Freizeitangebote in Essen. Beispielsweise legen wir weitere Fußgänger- und Radwege entlang der Gewässer an“, sagt der Essener Oberbürgermeister und betont die Bedeutung der Berne für die Stadt Essen: „Die Berne ist der Hauptfluss der Stadt Essen, der jedoch recht unbekannt ist – denn er verläuft hauptsächlich unterirdisch und ist damit weitestgehend unsichtbar.“ Kufens Blick aus dem Essener Rathaus geht auf die Bernestraße, ein Verweis auf die Lage des unsichtbaren Essener Flusses.
Denn die Berne entspringt im Südviertel direkt hinter der Hauptverwaltung der Emschergenossenschaft, von dort aus verläuft sie weitestgehend unterirdisch direkt durch die Essener Innenstadt. Erst an der Grillostraße, zwischen Tierheim und früherem Kirmesplatz, tritt die Berne wieder ans Tageslicht. Im weiteren Verlauf macht der Fluss einen großen Bogen durch Stoppenberg, Altenessen und Vogelheim, bevor sie nach Bergeborbeck fließt. Allein dieser geografische Verlauf der Berne verdeutlicht, dass sie ein wichtiger Fluss für die Stadt ist – mit einer seit Jahrzehnten wichtigen Funktion: Die Berne nimmt aktuell den Großteil des Essener Abwassers auf. Zwei Drittel des Essener Stadtgebietes entwässern in die Emscher, ein Drittel in die Ruhr.
Tiefenlagen von bis zu 17 Meter
Der Umbau der Gewässer bewirkt, dass die Bäche vom Abwasser befreit und anschließend naturnah umgestaltet werden können. Dr. Emanuel Grün, Technik-Vorstand der Emschergenossenschaft, erklärt: „Dafür verlegen wir im Berne-System Kanäle mit Durchmessern von bis zu 3,80 Meter – jeweils in Tiefenlagen von bis zu 17 Metern. Der Bau solcher Kanäle im Ballungsraum einer Metropole wie Essen ist eine logistische und bautechnische Herausforderung.“
Im Berne-System, zu dem neben der Berne und dem Borbecker Mühlenbach auch der Stoppenberger Bach, der Pausmühlenbach und der Sälzerbach gehören, liegen rund 20 Kilometer an Gewässern in Verantwortung der Emschergenossenschaft. Knapp acht Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen sind bereits fertig, sechs Kilometer befinden sich aktuell schon im Bau. Bei den beiden nun startenden Projekten wird ein 2,5 Kilometer langer Kanal am Borbecker Mühlenbach zwischen Jahnstraße und Sulterkamp gebaut sowie ein 3,5 Kilometer langer Kanal an der Berne etwa vom Altenessener Bahnhof bis zum Sulterkamp. 2022 werden diese Kanäle fertiggestellt. Durch die Inbetriebnahme der bereits fertigen Unterläufe der Kanäle im Berne-System wird die Abwasserfreiheit in der Emscher jedoch wie geplant bereits Ende 2021 erreicht sein. Der zentrale Fluss des Ruhrgebietes wird dann nach über 170 Jahren des Gebrauchs als offene Kloake wieder das sein, was er einst war: ein blauer Fluss mit grünen Ufern!
Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das effizient Aufgaben für das Gemeinwohl mit modernen Managementmethoden nachhaltig erbringt und als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz.
Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren prognostizierte 5,38 Milliarden Euro investiert werden. www.eglv.de