Wasser wird von schädlichen Spurenstoffen befreit
Erste Kläranlage an der Emscher bekommt vierte Reinigungsstufe
Dortmund. Start einer Baumaßnahme, welche die Wasserqualität der Emscher erheblich steigern wird: Mit blauem Wasser und grünen Ufern erfreut die Emscher Spaziergänger*innen in Dortmund-Deusen. Doch nicht alle schädlichen Stoffe im Wasser sind mit dem bloßen Auge erkennbar, zum Beispiel Spurenstoffe wie etwa Medikamentenreste, Pflanzenschutzmittel, Mikroplastik oder synthetische Duftstoffe in Körperpflegeprodukten. Um auch diese Mikrostoffe aus dem Wasser herauszufiltern, wird nun die Kläranlage der Emschergenossenschaft in Dortmund-Deusen um die sogenannte vierte Reinigungsstufe erweitert. Die vorbereitenden Maßnahmen sind abgeschlossen, nun beginnt die eigentliche Baumaßnahme – zu Gast: Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.
„Der Bau der neuen vierten Reinigungsstufe sowie die Erneuerung der Belüftung in den Belebungsbecken der Kläranlage in Dortmund-Deusen schützen unsere Gewässer und tragen zum Klimaschutz bei. Zwei Aspekte, die gerade in der heutigen Zeit von besonderer Bedeutung sind. Der Ausbau ist ein weiterer Meilenstein für eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Abwasserbeseitigung der Emscher-Region und ist damit auch ein Vorbild für andere“, sagt Umweltminister Oliver Krischer. Das Umweltministerium NRW fördert die Nachrüstung und Optimierung der Kläranlage sowie die energetische Verbesserung der Anlage mit 31,4 Millionen Euro.
Was Menschen hilft, schadet Lebewesen im Gewässer: Bei Rücken- oder Gelenkschmerzen schnell eine Salbe auftragen oder bei Kopfschmerzen fix eine Tablette einnehmen. Doch wenn die Schmerzen beim Patienten schon längst vergessen sind, wirken die Reste der Medikamente in der Natur noch nach. Durch die Abwässer von Gewerbe, Industrie und auch privater Haushalte – z. B. durch Medikamentenrückstände im Urin oder abgewaschene Salben im Duschwasser – gelangen diese Mikroschadstoffe in die Flüsse. Diese Spurenstoffe schaden der aquatischen Umwelt, also Wasserlebewesen aller Art, die Langzeitwirkung auf den Menschen ist noch nicht erforscht.
Seit diesem Jahr ist die Emscher nach jahrzehntelangem Dasein als „Köttelbecke“ des Ruhrgebiets vom Abwasser befreit. Beim Generationenprojekt Emscher-Umbau hatte die Emschergenossenschaft in 30 Jahren über 430 Kilometer unterirdischer Abwasserkanäle sowie vier moderne Kläranlagen – darunter die Kläranlage Dortmund-Deusen – neu gebaut. Nun folgt mit dem Ausbau der vierten Reinigungsstufe ein weiterer wichtiger Schritt, um die Wasserqualität der Emscher weiterhin zu verbessern. „In Trockenzeiten stammen bis zu 90 Prozent des Emscher-Wassers in Deusen aus der dortigen Kläranlage. Deshalb ist hier der Ausbau die ökologisch sinnvollste Lösung und eine wichtige Investition in den Lebensraum Emscher, von der Mensch und Umwelt profitieren“, erklärt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.
Die Emschergenossenschaft wird die Kläranlage in Dortmund-Deusen um eine Pulveraktivkohlefiltration mit vorgeschalteter Belüftung und nachgeschaltetem Tuchfilter erweitern. Das Ende der Baumaßnahme ist für das erste Quartal 2024 geplant. Das Land fördert bis zu 70 Prozent der Kosten der Ausbaumaßnahme. Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft, betont, dass die innovative Klärtechnik nur eine von mehreren Maßnahmen der Emschergenossenschaft sei, um die Wasserqualität zu erhöhen. „Der Gewässerabschnitt bei Dortmund-Deusen ist ein Musterbeispiel der Emscher-Renaturierung. Zusammen mit der Universität Duisburg-Essen haben wir hier erfolgreich erforscht, wie ökologische Aufwertung von Gewässern im urbanen, dichtbesiedelten Raum erfolgen kann“, so Dr. Grün. Wenn zukünftig dank der vierten Reinigungsstufe schädliche Spurenstoffe aus dem Wasser geklärt werden, hat dies nicht nur positive Auswirkungen auf Flora und Fauna in Dortmund-Deusen. Vielmehr hat die Natur entlang des gesamten weiteren Verlaufs des einst dreckigsten Flusses Europas die Chance, sich weiterhin ökologisch zu entwickeln.
Hintergrundinformationen: Die vierte Reinigungsstufe
Die vierte Reinigungsstufe (nach der mechanischen, biologischen und chemischen Reinigung) ist keine bestimmte Klärtechnik, sondern bezeichnet eine ganze Reihe verschiedener Optionen wie Ozonierung, Membranfiltration oder Aktivkohlefiltration. Ziel der zusätzlichen Klärtechnik ist das „Herausfiltern“ von Spurenstoffen, d. h. Mikroschadstoffe wie etwa aus Medikamentenresten, Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln, Korrosionsschutzmitteln und synthetischen Duftstoffen in Körperpflegeprodukten etc. Viele dieser Spurenstoffe können nicht ausreichend von herkömmlichen Großkläranlagen effizient beseitigt werden und gelangen so in die Gewässer. Aus der fast unüberschaubaren Vielzahl an Substanzen werden sogenannte Indikatorparameter für Mikroschadstoffe festgelegt, um die Wirksamkeit der vierten Reinigungsstufe zu kontrollieren. Diese sind unter anderem Wirkstoffe wie Diclofenac (in Schmerzmitteln enthalten), Röntgenkontrastmittel und Benzotriazol (in Geschirrspülmitteln enthalten).
Im Idealfall würden viele dieser Stoffe gar nicht erst ins Wasser gelangen. Auch jede Bürgerin und jeder Bürger kann hierzu einen Beitrag leisten: Arzneimittel nicht über die Spüle oder die Toilette entsorgen, sondern alte oder nicht gebrauchte Medikamente in die Restmülltonne werfen!